Der liebe Gott liegt gerne auf dem Rücken und schaut sich die Decke an

Der liebe Gott liegt gerne auf dem Rücken und schaut sich die Decke an

So merkwürdig diese Überschrift der Geschichte auch klingt, so groß und so wahr ist doch ihr Inhalt und ihre Bedeutung.

Zugetragen hat sich das Ganze so, dass ich ein Zimmer ausmalen sollte; auch die Decke, die mit Kassetten abgehängt war, musste mitgestrichen werden.

Die Räder der einzelnen Kassettenplatten waren angeschrägt. Wenn man mit der Lammfellrolle darüber strich, so blieben die Rillen ohne Farbe und waren etwas dunkler, ebenso, wie die Decke vorher war.

Über Kopf arbeiten ist ziemlich anstrengend, vor allen Dingen habe ich nicht so viel Kraft. Auch die Farbspritzer im Gesicht und ab und zu in den Augen waren mehr als unangenehm. Nach ungefähr einer Stunde Arbeitszeit war ich an einem Punkt angelangt, wo ich einfach nicht mehr mochte. Die Decke war zwar fertig, aber die Rillen … Schnell, schnell fuhr ich noch mit der Kante der Lammfellrolle die Fugen entlang. Doch blieben immer wieder Lücken und größere Stücke ohne Farbe. Gerade als ich aufhören wollte, kam mir meine Einstellung wieder ins Bewusstsein: „Führe jede Arbeit so aus, als wäre es für den lieben Gott persönlich.“

Natürlich formte sich sofort eine Geschichte um meine Arbeit, die in Verbindung steht mit meinem Wahlspruch.

In diesem Fall war es so, dass der liebe Gott als Besucher kommt und in diesem Zimmer wohnen wird. Natürlich ist er verkleidet, zwar nicht als Bettler, aber vielleicht als ganz normaler Besuch. Er liegt dann, weil er ja eine weite Reise hinter sich hat, rücklings auf dem Bett und schaut sich die Decke an, weil man sich da am besten entspannt. Natürlich wandert der Blick dann gerade auf die dunklen Stellen in den Rillen, die ich jetzt mit meiner Rolle nicht erwischt habe. Oh, wie peinlich! Ist doch die Botschaft einer solchen unvollständigen, schlampigen Arbeit ganz eindeutig!

Vielleicht überlegt er: Wer hat denn hier ausgemalt? Hatte er keine Zeit oder keine Liebe zur Arbeit? Wusste denn dieses Kind nicht, dass Arbeit mit Freude ausgeführt Kraft gibt und nicht Kraft nimmt? Wie unzufrieden muss doch dieses Kind sein!

So wie ich mir diese Gedanken durch den Kopf gehen ließ, so kam auch die Erinnerung an frühere Arbeiten wieder in mein Bewusstsein. Es war wirklich so, dass Arbeit mit Freude getan, Kraft schenkte. Ich holte mir den kleinen Pinsel, nahm die restliche Farbe und fing an, die Rillen auszumalen, fein säuberlich, eine nach der anderen, und als ich halbfertig war, kam mir direkt der Gedanke: Wie schade, dass die Decke nicht größer ist. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich so viel Freude, dass ich am liebsten gejubelt hätte! Das Gefühl nützlich zu sein, seine Arbeit ganz sauber zu machen, alles ganz ordentlich zu hinterlassen, einfach herrlich!

Unter ständigem Energiegewinn wurde ich mit meiner Arbeit sehr schnell fertig. Bemerkenswert war auch, dass die Farbe genau bis auf den letzten Tropfen gereicht hat, und dass ich wirklich jede Stelle an der Decke erwischt habe.

Was ich noch als sehr bemerkenswert erwähnen will ist, dass jetzt einige Wochen nachdem die Arbeit abgeschlossen ist, dieses Zimmer immer noch von dieser Kraft und dieser Freude erfüllt ist, die ich bei der Arbeit verspüren konnte. Wenn ich jetzt in das Zimmer gehe und die Decke sehe, quillt es freudig in mir auf! Dass ich die Arbeit so gut und so sauber gemacht habe, wird nun damit belohnt, dass diese Decke für mich ein Ort der Kraft geworden ist.

Solche Orte habe ich in meinem Wohnbereich viele. Wenn es mir einmal schlecht geht, weil ich erschöpft vom Einkaufen nach Hause komme, so genügt es, einmal durch die Wohnung zu gehen und die Stellen zu suchen, die ich mit dieser Einstellung und mit viel Freude gemacht habe. Innerhalb kürzester Zeit werde ich mit so viel Kraft und Freude erfüllt, dass es schier unglaublich ist.

Ich glaube auch, dass die Orte der Kraft nichts Besonderes oder Außergewöhnliches sind, sondern nur Orte, die mit einer besonderen Hingabe und Einstellung erstellt oder ausgeschmückt wurden.

Mein Ziel ist es, so viel wie möglich meiner alltäglichen Handlungen in einem Bewusstsein zu machen, dass es ja für den lieben Gott ist.
Dass ich überall Orte und Zeichen der Kraft für mich und für meine Lieben setze. Gerade einfache oder besonders unbeliebte Arbeiten erweisen sich als besonders gute Übungsobjekte.
Mittlerweile weiß ich auch, dass der liebe Gott gerne auf dem Bauch liegt und den Boden anschaut, oder auf der Seite liegt und betrachtet, ob eine Steckdose gerade eingebaut ist, oder die Bilder richtig hängen. Manchmal macht er auch einen Kopfstand, da sieht die Welt dann wieder ganz anders aus. Doch oft sitzt er auch nur da und freut sich an meiner Arbeit.

    • Karin Merker am 16, Dezember 2018 um 6:40

    Antworten

    Wunderbare Geschichte, innerlich sah ich, wie ich sie meinen Kolleginnin vorlas und nachher meinem Mann zum 3. Advent. Welch kraftvolle frohe Botschaft, mit Liebe, Hingabe und Sorgfalt wird jede Arbeit so ausgeführt schön und ein Kraftfeld für andere und für sich selbst. Zum Auftanken in stressigen Zeiten. Der liebe Gott als Besucher, ja da würde ich mich auch ins Zeug legen. Mag ich doch sowieso Besuch und bin so gern eine gute Gastgeberin. Das macht mir viel Freude. Eine weise beglückende Geschichte, die zu Herzen geht und ich gern als Anker für so manch unliebsame Tätigkeiten nehme. Vielen Dank an die Autorin und dem gesamten Team eine gesegnete Advents,-und Weihnachtszeit. Ein erfolgreiches glückliches und segensreiches 2019 wünscht von Herzen,
    Narin Merker

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